Starkes Zeichen: Erzählungen einer Zeitzeugin

„Auschwitz kann man nicht vergessen.“ Mit einem Zeitzeugengespräch mit der Holocaust-Überlebenden Ruth Melcer setzte die FOSBOS Neuburg ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus

Am 10. November 2023 ließ die FOSBOS Neuburg ihren Titel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ in einer bewegenden Veranstaltung erneut lebendig werden ließ. Die Schülerinnen und Schüler hatten anlässlich des 85. Jahrestages der Reichspogromnacht die einzigartige Gelegenheit, einer Zeitzeugin des Holocausts, Ruth Melcer, zuzuhören. Die Friedrich-Ebert-Stiftung organisierte die Veranstaltung, die von Elke Diehl moderiert wurde. Die gesamte Schule nahm per Webex teil, damit wurde nicht nur Geschichte vermittelt, sondern auch eine lebendige Verbindung zu den Erfahrungen einer Zeitzeugin hergestellt.

Martina Wenzel, Weitere Ständige Vertreterin des Schulleiters, betonte die Bedeutung dieses Ereignisses für die Demokratieerziehung und hob hervor, dass es gerade in der heutigen Zeit entscheidend sei, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, für demokratische Werte einzustehen.

Ein lebendiges Zeugnis der Geschichte

Der Hauptgrund, warum Ruth Melcer nach jahrelangem Schweigen heute vor Schulklassen spricht, liegt in der Tatsache begründet, dass es immer weniger Menschen gibt, die aus erster Hand von den Schrecken des Holocausts berichten können. In einem bewegenden Zitat erklärte sie: „Jetzt muss ich sprechen“, damit die Erinnerung lebendig bleibt.

Ruth Melcer wurde 1935 im polnischen Tomaszów Mazowiecki geboren. Als Kind erlebte sie den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die Besetzung Polens durch die deutsche Wehrmacht und die schmerzlichen Verluste in ihrer Familie. Ihr jüngerer Bruder wurde während dieser Zeit ermordet. Ab 1942 wurde Ruth Melcers Familie in Ghettos und schließlich in einem Arbeitslager zur Zwangsarbeit gezwungen. 1944 wurde die Familie in einem Viehwagon nach Auschwitz deportiert. Sie könne sich an diese schrecklichen Erlebnisse erinnern „als wäre es heute“, was die unmittelbare und dauerhafte Wirkung dieses Traumas verdeutlichte. 

In Auschwitz wurde den Menschen alles Menschliche genommen, sie wurden systematisch „entmenschlicht“, wie Melcer betont, und ihre Würde wurde auf grausame Weise geraubt. Unter den zahlreichen erschütternden Erfahrungen war eine der schlimmsten, als Ruth Melcer von ihrer Mutter getrennt und allein im Lager zurückblieb. Eine schmerzhafte Erinnerung begleitet sie bis heute: Das Bild von Frauen mit zerfetzten Ohrläppchen, denen gewaltsam die Ohrringe herausgerissen worden waren. Diese verstörende Szene steht als Symbol für die unmenschlichen Grausamkeiten, denen die Gefangenen in Auschwitz ausgesetzt waren.

Ruth Melcers Überleben in Auschwitz verdankt sie dem mutigen Handeln einer Blockältesten, die sie vor dem KZ-Arzt Josef Mengele versteckte. Die Befreiung durch die Rote Armee erlebte Ruth „wie eine Fata Morgana“; wie durch ein Wunder fand sie später sogar Mutter und Vater wieder. Ein zentrales Zitat von Melcer lautete: „Auschwitz kann man nicht vergessen.“ Diese Aussage unterstrich ihre tiefe Prägung durch die schrecklichen Ereignisse und die anhaltende Bedeutung der Erinnerung.

Klare Positionen zu aktuellen politischen Entwicklungen

Während ihres Vortrags bezog Ruth Melcer klare Positionen zu aktuellen politischen Entwicklungen. Sie äußerte Unverständnis gegenüber der AfD und bezeichnete deren Ziele als menschenverachtend. Dies verdeutlichte ihre klare Ablehnung extremistischer Ideologien und ihre Unterstützung für eine demokratische und tolerante Gesellschaft.

Ruth Melcers Kommentar zum aktuellen Nahostkonflikt spiegelte ihr tiefes Mitgefühl für die Schmerzen, Ängste und die Wut der betroffenen Familien wider. Sie unterstrich, dass Israel für sie stets Ort der Sicherheit für Juden war und dass dieses Gefühl der Sicherheit sie durch ihr gesamtes Leben begleitet hat. Auch äußerte sie eine tiefe Erschütterung angesichts der verstärkten Manifestation von Antisemitismus in Deutschland.

Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich tief bewegt und empfanden den Vortrag als äußerst emotional, besonders weil er live übertragen wurde, was die Unmittelbarkeit des Erlebens verstärkte.

Die Fach- und Berufsoberschule sieht ihre Auszeichnung als „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ nicht nur als Titel, sondern macht sie durch verschiedene Aktionen und Initiativen, wie z.B. einer jahrgangsübergreifenden Fahrt in das ehemalige Konzentrationslager Dachau oder Workshops, wie „Videos drehen zu Propaganda und Desinformation“, greifbar. Das Zeitzeugen-Gespräch mit Ruth Melcer ist ein herausragendes Beispiel dafür wie Demokratieerziehung nicht nur vermittelt, sondern auch als lebendiges Element in die Schulgemeinschaft integriert wird. Damit setzt die Schulgemeinschaft ein starkes Zeichen für Demokratie, Toleranz und gegen jegliche Form von Diskriminierung.

Foto: Wipfler