Eine Reise, die Welten verbindet

Die Schulpartnerschaft zwischen Neuburg und Juaben

Um 9.Juli 2024 um 3:00 Uhr morgens beginnt für neun Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Fach- und Berufsoberschule Neuburg ein außergewöhnlicher Schultag: Sie versammeln sich erwartungsvoll am Flughafen. Die Reise, initiiert von den Lehrern Marion Büchl und Moritz Hille, führt sie für 14 Tage nach Ghana, davon eine Woche an die Juaben Senior High School im Herzen des Ashanti-Landes. Diese Bildungsreise wird durch eine großzügige finanzielle Unterstützung des Entwicklungspolitischen Schulaustauschs von Engagement Global (ENSA), der Stiftung Jugendaustausch Bayern sowie des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen ermöglicht.

Bereits in der ersten Woche wird der Schulalltag der ghanaischen Partner zur prägenden Erfahrung. Der Unterschied könnte kaum größer sein: In den überwiegend nur mit Tafel und Stift ausgestatteten Klassenzimmern sitzen meist mehr als 50 Schüler, die alle eine Schuluniform tragen. Trotz dieser Unterschiede fällt die Verständigung leicht, da alle englisch sprechen. Die herzliche Aufnahme an der Schule fördert rasch neue Freundschaften. Handynummern werden ausgetauscht und Selfies gemacht.

Gemeinsam bereiten alle Schülerinnen und Schüler Kaiserschmarrn zu und verfeinern ihn mit lokalen Mangos – ein ungewöhnliches Rezept in einem Land, dessen traditionelle Küche nur wenige Desserts kennt. In der Schulküche herrscht geschäftiges Treiben. Deutsche und ghanaische Schülerinnen und Schüler arbeiten Hand in Hand. Die Sprachbarrieren lösen sich durch die universelle Sprache des Kochens. Gemeinsam lachen und plaudern die Jugendlichen, während der Kaiserschmarrn langsam Form annimmt.

Der fertige Kaiserschmarrn, kombiniert mit der Frische der Mangos, wird begeistert probiert. Der Hauswirtschaftslehrerin der Juaben Senior High School schmeckt es so gut, dass sie das Rezept in ihren Unterricht integrieren möchte. Kaiserschmarrn vielleicht bald als neues ghanaisches Nationalgericht? Die einheimischen Lehrkräfte sind dieser scherzhaft gemeinten Idee scheinbar nicht abgeneigt.

Die deutschen Lehrkräfte stehen vor der spontanen Aufforderung, eine Geschichtsstunde auf Englisch zu halten. Diese ungewohnte Situation bringt so manche Herausforderungen mit sich: Fachbegriffe, die in ihrer eigenen Sprache vertraut sind, fehlen oft, aber die Lehrkräfte improvisieren gekonnt. Und sie gewinnen sogar kurzfristig neue Schüler: Ein neugieriges Huhn stattet dem Klassenzimmer einen kurzen Besuch ab.

Ein besonderes Ereignis ist eine große Veranstaltung mit traditionellen Tänzen. Die deutschen Gäste haben ihre Dirndl und Lederhosen mitgebracht und werden dazu aufgefordert, an den Tänzen teilzunehmen. Ihre Darbietung wird mit begeisterten Anfeuerungsrufen und tosendem Applaus belohnt.

Nach einer Woche heißt es Abschied nehmen von der Juaben High School und die Schülergruppe macht sich auf, um in der zweiten Woche Ghana in seiner ganzen Vielfalt zu erkunden.

Busse und Insassen werden nicht nur von den holprigen Straßen Ghanas herausgefordert, die Gäste aus Deutschland sehen auch ein lebendiges Bild des Landes: Bunte Märkte, geschäftige Menschen und zahlreiche Tiere. Das größte Abenteuer erwartet die Reisenden, als der Bus kurz vor dem Hotel im Sand stecken bleibt. Gemeinsam mit Einheimischen gelingt es mit viel Teamgeist und Improvisationstalent, nach vier intensiven Stunden den Bus zu befreien und die Fahrt fortzusetzen. Dieser Zwischenfall wird die Gruppe ein Leben lang begleiten.

Die anfängliche Skepsis der Jugendlichen gegenüber dem ghanaischen Essen weicht allmählich einer überraschenden Begeisterung. Vorsichtig entdecken sie die Vielfalt der ghanaischen Küche, die geprägt ist von intensiven Aromen. Gerichte wie Jollof Rice – ein würziges Reisgericht – sowie Yamswurzeln oder frittierte Kochbananen erweisen sich als überraschend schmackhaft, wenn man sich einmal darauf einlässt. Besonderen Anklang fanden die frischen Früchte wie Mangos, Bananen oder Kokosnüsse, deren Geschmack nicht zu vergleichen ist mit den Früchten, die man in Deutschland im Supermarkt kaufen kann.

Ein Blick in das Handwerk der Einheimischen offenbart die faszinierende Vielfalt und Kreativität des ghanaischen Alltags. Die traditionelle Palmölproduktion ist ein komplexer Prozess, bei dem die tiefroten Palmfrüchte in mühsamer Arbeit von Hand verwertet werden. Die Muschelernte im Delta des Flusses Volta gewährt Einblicke in die alltägliche Arbeit der Fischer. Besonders eindrucksvoll präsentiert sich die Bastmattenherstellung, bei der fleißige Hände aus Schilfrohr und Palmblättern kunstvolle Matten weben. Diese Handwerkskunst wird seit Generationen weitergegeben und ist ein unverzichtbarer Bestandteil des lokalen Lebens.

Die Weberei von Bonwire, bekannt für ihre Kente-Stoffe, ist ein weiteres Highlight. Kente, ein Stoff mit leuchtenden Farben, wird in aufwändiger Handarbeit gewebt. Die Muster und Farben haben tiefere Bedeutungen und spiegeln die Geschichte und Tradition der ghanaischen Kultur wider.

Ein Highlight der Reise ist die Übernachtung im Baumhaus des Kakum-Nationalparks. Hoch oben im Dschungel, umgeben von den Geräuschen des Regenwalds, erleben die Jugendlichen eine unvergessliche Nacht. Der Baumwipfelpfad bietet atemberaubende Ausblicke und ermöglicht, das grüne Paradies aus der Vogelperspektive zu betrachten. Die Bootsfahrten im Volta-Delta offenbaren die sanfte Schönheit der Wasserlandschaften und das Leben entlang der Flüsse.

Im Tafi-Atome-Affenschutzreservat begegnen die Schülerinnen und Schüler Monameerkatzen, die durch ihre Neugier und Verspieltheit bezaubern. Mit Bananen in der Hand werden die Affen angelockt, springen auf den Arm der Besucher und genießen die köstlichen Leckereien.

Die Sklavenburg in Cape Coast ist ein eindringliches Zeugnis der dunklen Ära des transatlantischen Sklavenhandels. Als zentraler Knotenpunkt dieses grausamen Netzwerks bietet die Festung einen ungeschönten Blick auf die unmenschlichen Bedingungen, unter denen Millionen von Afrikanern versklavt wurden.

Die Erlebnisse in Ghana haben bei den Jugendlichen die Augen für die globale Ungleichheit geöffnet und lassen sie die eigenen Privilegien mit neuer Wertschätzung betrachten. Die Begegnung mit anderen Kulturen hat ihnen gezeigt, wie vielfältig das Leben sein kann. Die Fähigkeit der Ghanaer, aus wenig viel zu machen, hat die Neuburger Schülerinnen und Schüler gelehrt, Ressourcen bewusster einzusetzen und Probleme kreativ zu lösen. „Diese Reise hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, offen für neue Perspektiven zu sein und unser eigenes Handeln zu reflektieren. Es ist wichtig, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und die eigene Komfortzone zu verlassen“, so Marion Büchl.

„Wir freuen uns auf viele weitere gemeinsame Projekte und darauf, unseren Schülerinnen und Schülern noch mehr bereichernde Erfahrungen zu ermöglichen“, ergänzt Moritz Hille. Die Partnerschaft zwischen den beiden Schulen soll weiter ausgebaut werden, ein Gegenbesuch der Ghanaer in Neuburg erfolgte im Herbst 2024.